Amerika ist der Trendsetter schlechthin. Die neusten multimedialen Trends, die besten Diäten, die neuste Esskultur – alles schwappt über den großen Teich, um auch bei uns kräftig für Furore zu sorgen. Aber was bedeutet Schönheit für die Amerikaner, was die Europäer? Ich habe meinem amerikanischen Kollegen Dr. Joe Banis aus Louisville, KY, USA fünf Fragen über aktuelle Trends und kulturelle Unterschiede gestellt und berichte auch von meinen Erfahrungen als plastischer Chirurg in Deutschland.
Großer Busen, ausladender Hintern und volle Lippen – gilt das amerikanische Schönheitsbild auch für Europa?
Schönheit à la Kim Kardashian: Der europäisch-amerikanische Vergleich.
„Eine echte Medienbeeinflussung herrscht in den Staaten, wenn es um Schönheit geht“, erzählt mein Berufskollege Dr. Banis. „Medien verbreiten bestimmte Schönheitsideale, denen dann privat nachgeeifert wird.“
Wie sehr lassen wir uns von Schönheitstrends manipulieren?
Zur Zeit ist der Superstar Kim Kardashian Trendsetter: ihre Körperform ist die Traumfigur. In Deutschland ist es anders. Die Wünsche sind viel weniger Superstar-beeinflusst. Manchmal kommen allerdings PatientInnen in meine Sprechstunde, die sich zuvor aus Magazinen wie der Vogue, der Madame oder der Gala im Wartezimmer ihre Wunschnase oder ihren Traumbusen herausgerissen haben. Allerdings steht der Bezug zum eigenen Köper im Mittelpunkt. Die Sängerin Byoncé Knowles hat zwar eine schöne Nase, die aber in einem fremden Gesicht einfach nur grotesk aussehen würde. Deshalb meine Warnung an alle: Folgen Sie keiner Trend-OP, nur weil Promi XY so aussieht.
Was gilt aktuell als schön in den USA? Was in Europa?
Dr. Banis: „In Europa ist der aktuelle Schönheits-Trend subtiler und zurückhaltender. Das Credo lautet eher: Schönheit muss natürlicher und weniger übertrieben sein. Ganz anders in Amerika, wo der Fokus auf ausladenden Hinterteilen, vollen Lippen und großen Brüsten liegt. Die unterschiedlichen Ideale haben wohl kulturelle Hintergründe.“
Ich stimme da vollkommen mit der Meinung meines Kollegen überein. Der grundsätzliche Unterschied liegt darin, dass die US-Gesellschaft andere Werte hat. Zum Beispiel ist dort Reichtum keine Schande. Im Gegenteil: Reichtum wird angestrebt und bewundert. Und wenn man sich Plastische Chirurgie leisten kann, will man es dort zeigen. Dafür muss es deutlich zu sehen und kann durchaus übertrieben sein. Ganz anders hierzulande; es gilt als protzig, schnöselig und unangenehm, wenn Reichtum übertrieben zur Schau gestellt wird.
Ich denke, dass die US-Gesellschaft eher zu Extremen, die europäische zum Ausgleich neigt. Und noch ein weiterer Punkt unterscheidet die Nordamerikaner von den Europäern. Sie sind oftmals pragmatischer als die europäische Gesellschaft. Frei nach dem Motto: Wenn mich etwas stört, dann wird es beseitigt. Punkt. Wo ist das Problem?
Gibt es unvergängliche Schönheitsideale?
Dr. Banis: „Schönheit ist messbar, wie die Geschichte zeigt, über Jahrhunderte hinweg, selbst wenn es immer Trends oder verschiedene Stile gegeben hat.“
Ideale Schönheitsvorstellungen sind so alt wie die menschliche Kultur selbst. Bereits im Jahr 2200 v. Chr. gab es die ersten Angaben zu idealen Proportionen im alten Ägypten. Die griechische und römische Antike haben diese Schönheitsideale in Form von Skulpturen und Gemälden weiter ausgearbeitet. Die Schönheitsideale wurden später in der Renaissance zum Beispiel von Leonardo da Vinci und nördlich der Alpen von Albrecht Dürer aufgenommen und weiterentwickelt. Proportion, Harmonie und der goldene Schnitt bestimmten die Vorstellung von Schönheit in unserer westlichen Gesellschaft. In anderen Kulturen gelten wiederum andere Schönheitsideale. Die Grundausrichtung ähnelt sich allerdings.
Immer mehr Männer legen sich in Deutschland unters Messer. Ist das auch in den USA so?
Unter zehn plastischen Eingriffen sind acht Patienten Frauen und nur zwei Männer. Das gilt sowohl für Amerika als auch für Deutschland. Dr. Banis erzählt, dass seit einigen Jahren auch immer mehr Männer eine Schönheits-OP erwägen.
„Gerade Fettabsaugungen, Nasenkorrekturen, Gesichts-Lifting und Adipositas-Chirurgie sind bei Männern gefragt.“
Auch in Deutschland sind das übrigens die am häufigsten gewünschten Korrekturen. Das männliche Ziel: Das Sixpack.
Die Brustvergrößerung ist weltweit der am häufigsten vorgenommene Eingriff. Warum?
„Die Brust steht einfach schlechthin für Weiblichkeit, sexuelle Attraktivität und Fruchtbarkeit“, sagt Dr. Banis.
Diese Sichtweise unterscheidet sich im Großen und Ganzen nicht von der europäischen, denn die Brust ist einfach das auffälligste Geschlechtsmerkmal und mit Weiblichkeit und erotischer Ausstrahlung assoziiert. In der wohlhabenden, säkularen und freiheitlichen Gesellschaft sind das erstrebenswerte Eigenschaften.